Von Goethe: Die Hinweise

 

Venetianische Epigramme von 1790 

Oft erkläret ihr euch als Freunde des Dichters, ihr Götter,

Gebt ihm auch was er bedarf mäßig ist es doch viel.

Erstlich freundliche Wohnung, dann leidlich zu essen, zu trinken

Gut, der Deutsche versteht sich auf den Nektar wie ihr.

Dann geziemende Kleidung und Freunde vertraulich zu schwätzen,

Dann ein Liebchen des Nachts das ihn von Herzen begehrt.

Diese fünf natürlichen Dinge verlang ich vor allem.

Gebet mir ferner dazu Sprachen die alten und neu´n

Daß ich hören könne und lesen der Völker Gewerbe

Gebt mir ein reines Gefühl was sie in Künsten getan.

Wollt ihr mir Ansehn beim Volke, mir Einfluß bei Mächtigen geben,

Oder was sonst noch bequem unter den Menschen erscheint.

Gut - schon dank ich euch Götter ihr habt den glücklichsten Menschen

Völlig fertig, denn ihr gabt mir dies alles ja schon.

- Goethe Werke, Münchner Ausgabe, Bd. 3.2, S. 92 -

Anmerkung: Bekanntlich huldigte Goethe den Erdengöttern.

                                                 

West-östliche Divan von 1819

(Ursprünglich nach Goethes Tagebuch der Deutsche Divan)

Über Despotie:

S. 346-347 Wir dürfen daher nicht blos an niedrige und verkäufliche Gesinnungen denken, wenn die Schmeicheley uns auffällt, welche sie dem Fürsten erzeigen. Fühllos gegen den Werth der Freyheit, unbekannt mit allen übrigen Regierungsformen, rühmen sie ihren eigenen Zustand, worin es ihnen weder an Sicherheit ermangelt noch an Behagen, und sind nicht allein willig, sondern stolz sich vor einem erhöhten Manne zu demüthigen, wenn sie in der Grösse seiner Macht Zuflucht finden und Schutz gegen grösseres unterdrückendes Übel.                                                                                                    

Über Freiheit:

S. 353 Wie man denn niemals mehr von Freiheit reden hört als wenn eine Parthey die andere unterjochen will und es auf weiter nichts angesehen ist, als dass Gewalt, Einfluss und Vermögen aus einer Hand in die andere gehen sollen. Freyheit ist die leiste Parole heimlich Verschworner, das laut Feldgeschrey der öffentlich Umwälzenden, ja das Losungswort der Despotie selbst, wenn sie ihre unterjochte Masse gegen den Feind anführt, und ihr von auswärtigem Druck Erlösung auf alle Zeiten verspricht.

 

Wilhelm Meisters theatralische Sendung 

5. Buch, 1. Kapitel, Juni - Oktober 1784

Über ererbte Stellung und Vermögen:

   Dreimal glücklich sind diejenigen zu preisen, die ihre Geburt sogleich über die untere Stufe der Menschheit hinaushebt, die durch Verhältnisse, in welchen sich manche gute Menschen die ganze Zeit ihres Lebens abängstigen, nicht durchzugehen, auch nicht einmal als Gäste darin zu verweilen brauchen! Allgemein und richtig muß ihr Blick auf dem höheren Standpunkte werden, wie leicht ein jeder Schritt ihres Lebens! Sie sind von Geburt an gleichsam in ein Schiff gesetzt, um bei der Überfahrt, die wir alle machen müssen, sich des günstigen Windes zu bedienen und den widrigen abzuwarten, anstatt daß andere nur vor ihre Person schwimmend sich abarbeiten, vom günstigen Winde wenig Vorteil genießen und im Sturme mit bald erschöpften Kräften untergehen. Welche Bequemlichkeit, welche Leichtigkeit gibt ein angeborenes Vermögen! und wie sicher blühet ein Handel, der auf ein gutes Kapital gegründet ist, so daß nicht jeder mißlungene Versuch immer in Untätigkeit versetzt! Wer kann den Wert und Unwert irdischer Dinge besser kennen, als wer sie zu genießen von Jugend auf im Falle war, und wer kann seinen Geist früher auf das Nützliche, das Notwendige, das Wahre leiten, als der sich von so vielen Irrtümern in einem Alter überzeugen muß, wo es ihm noch an Kräften nicht gebricht, ein neues Leben anzufangen. Heil also den Großen dieser Erde! Heil allen, die sich ihnen nähern, die aus dieser Quelle schöpfen, die an diesen Vorteilen teilnehmen können! und nochmals Heil dem Genius unsers Freundes, der ihn diesen glücklichen Stufen näher zu führen Anstalt macht! 

Vgl. Bild von Bloemart nach A. Diepenbeeck (hier Reproduktion von 1795 nach dem Erstbild von 1655)

 

 

 

 Amtliche Stellungnahme als Geheimrat zur

Abschaffung der Kirchenbuße vom 14. Dezember 1780

 

Jeder rechte mit sich selbst, wenn er von dem ersten Grade väterlicher Admonition

bis zu dem letzten Schimpf in seinen Begierden und Lastern sich nicht zurücke gehalten hat.

Anmerkung: Die Kirchenbuße galt auch für die sogenannten "fleischlichen Verbrechen", d. h. der Zweisamkeit miteinander außerhalb einer Ehe der beteiligten Personen.

 

2. Februar 2015